Roxette // Fünf Jahre im neuen Zuhause


 Roxette schreibt:

 

Morgen ist es soweit: Dann wohne ich fünf Jahre bei meinen neuen Menschen. Obwohl sie mich von Anfang an gemocht haben, war lange nicht klar, ob ich bei ihnen ein neues Zuhause finden würde.

 

2012 landete ich im Tierheim. Ich war total fertig. Ich hatte keine Menschen mehr, war eingesperrt und die vielen Hunde auf engstem Raum machten mich kirre. Jetzt war ich also knapp sechs Jahre alt und hier sollte vielleicht schon Endstation für mich sein? Ich hatte ja schon gehört, dass Schäferhunde, die im Tierheim landen, nicht so leicht wieder ein neues Zuhause finden. Man wird hier schnell zum «Ladenhüter». Außerdem war ich eine sehr selbstbewusste Hündin, mit einem durchaus – drücken wir es einmal vorsichtig aus – eigenen Charakter. Gut ließ sich die Sache jedenfalls nicht an.

 

Dann half mir der Zufall. Bei meinem jetzigen Frauchen spukte schon seit längerem die Idee im Kopf herum, ihr Rüde, der Shino, könne gut einen Hundekumpel gebrauchen. Also hat sie immer wieder ins Internet geschaut und mich dann eines Tages auf der Homepage des Tierheims entdeckt. Herrchen war schnell überredet, mich einmal anzuschauen. Ganz unverbindlich natürlich.

 

Mitte April kamen sie das erste Mal vorbei. Ich war erst einmal zurückhaltend, tat so, als würde mich das Ganze nicht groß interessieren. Aber davon haben sie sich nicht beeindrucken lassen, sondern wollten gleich mal mit mir Gassi gehen und schauen, ob ich mich mit ihrem Rüden vertrage. Als ich an den anderen Tierheimhunden vorbei musste, brach eine Randale los. Ich habe wie eine Irre gebellt, mich wie wild geschüttelt und heftig an der Leine gezogen. Das ließ die anderen Hunde natürlich nicht kalt und es gab einen Riesen-Radau.

 

Als wir draußen waren, habe ich mir gedacht: «Puh, jetzt musst du dich aber mal von deiner besseren Seite zeigen, sonst wird das nichts.» Gesagt, getan. Als ich dem Shino, ihrem Rüden, «vorgestellt» wurde, habe ich mich ganz artig verhalten. Auf der anschließender Gassi-Runde ging ich ganz brav an der Leine und habe andere Vierbeiner komplett ignoriert. Am Ende waren Mensch und Hund ziemlich angetan von mir, so dass meine Aktien wieder stiegen.



Etwas später, es war mittlerweile Mai geworden, durfte ich zum «Probewohnen» mitkommen. Sie wohnten in einem Haus – schon mal gut – und es gab einen Garten – auch nicht schlecht. Ich durfte alles eingehend inspizieren, wurde geknuddelt, machte es mir in einem Hundebettchen bequem und später haben wir noch einen großen Spaziergang gemacht. Mit Shino gab es auch keine Probleme. Er hat gleich akzeptiert, dass ich hier das Sagen haben wollte. Der Tag ging irgendwie viel zu schnell vorbei und abends wurde ich wieder zurückgebracht. «Na, so schlecht stehen meine Chancen gar nicht.», dachte ich bei mir, als ich müde, aber zufrieden, in meinem Zwinger  lag. Das Probewohnen-Spiel wiederholte sich dann noch dreimal. Wir haben große Spaziergänge gemacht, ich bin mit Shino und den Menschen im Garten herumgetollt und es gab allerlei Leckerli und ganz viel Zuneigung. Nur, wann durfte ich jetzt endlich einziehen?

 

Plötzlich kamen sie nicht mehr. «Das war´s dann wohl», dachte ich resigniert. Wieder eine Chance dahin. Der Aufenthalt im Tierheim wurde immer schlimmer, so ganz ohne Hoffnung, hier jemals wieder herauszukommen. Die Wochen vergingen und es wurde Hochsommer. An die Menschen und den Shino dachte ich immer weniger. Ich hatte die Sache abgehackt. Auch sonst gab es kaum Interessenten für mich.



Es wurde Ende Juli und das Tierheim veranstaltete seinen Tag der offenen Tür. Viele Menschen kamen und starrten mich in meinem Zwinger an. An diesem Tag ging es mir besonders mies und ich verkroch mich im hintersten Winkel meiner Behausung. Und dann sah ich sie plötzlich wieder, meine Menschen. Gab es doch noch eine Chance? Ich glaubte nicht mehr daran und blieb apathisch liegen. Meine Menschen blieben ganz lange vor dem Zwinger stehen und kamen im Verlauf des Tages mehrmals zu mir. Aber ich rührte mich kaum. 

 

Eine weitere Woche verging und am Sonntag, den 5. August 2012, sah ich sie wieder. Sie betrachteten mich lange, schienen miteinander zu diskutieren und verschwanden schließlich im Büro des Tierheims, während ich aus dem Freilauf geholt wurde. Kurze Zeit später verließ ich zusammen mit meinen Menschen, die jetzt irgendwie glücklich wirkten, das Tierheim. Ich sprang schnell in ihr Auto, wo mich der Shino begrüßte. War ich jetzt endlich auf dem Weg in mein neues Zuhause? Noch war ich sehr unsicher. Aber an diesem Abend wurde ich nicht zurückgebracht, sondern durfte mir im Schlafzimmer ein Plätzchen für die Nacht suchen. Nun hatten sie sich also endlich für mich entschieden.

 

Die ersten Tage im neuen Zuhause war ich eine ganz wilde Maus. Bei jedem noch so kleinen Geräusch habe Ich laut  losgebellt. War ein Vogel im Garten, bin ich wild kläffend die Treppe hinuntergestürmt, um den ungebetenen Gast zu verscheuchen. Ich glaube, da haben sich meine Menschen des Öfteren gefragt, ob das mit mir nicht ein großer Fehler war. Viel Zeit zum Nachdenken blieb ihnen aber nicht, denn schon eine Woche später ging es ab in den Urlaub an die Nordsee. Und da habe ich die Herzen meiner Menschen im Sturm erobert: Ich zeigte mich als begeisterte Schwimmerin und Ballfängerin.Ich ging brav an ihrer Seite – ohne Leine und ohne abzudüsen. Der Urlaub war dann auch große Klasse und – wieder daheim – stieg ich schnell zur Rudelchefin auf.

 

Später habe ich mitbekommen, dass meine Menschen mich eigentlich schon von Anfang an haben wollten. Sie haben nur deswegen so lange gezögert, weil sie unsicher waren, ob ihre Zeit für zwei Hunde reicht. Egal, Hauptsache, ich hatte am Ende wieder ein Rudel und ein richtiges Zuhause.

 

Die Jahre danach vergingen schnell. Ich musste miterleben, wie Shino über die Regenbogenbrücke ging, und ein neuer Rüde, der Merlin, bei uns einzog. Nun bin ich schon elf und morgen werden es also fünf Jahre bei meinen Menschen. Das werden wir doch wohl gebührend feiern, hoffe ich mal.



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